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Gastvortrag "Variation, Prosodie und Frequenzeffekte: Der Fall des Negations-ne im Französischen"

Dozent(en)Charlotte Meisner (Zürich)
AnsprechpartnerMalte Rosemeyer
Emailmalte.rosemeyer@romanistik.uni-freiburg.de
Termin26.11.2013, 18:15-19:45
OrtKG I, Raum 1273

 

Gastvortrag

"Variation, Prosodie und Frequenzeffekte: Der Fall des Negations-ne im Französischen"

Charlotte Meisner (Zürich)

 

Das Proklitikon ne ist im Standardfranzösischen obligatorischer Teil der zweiteiligen Satznegation:

       (1) Je ne chante pas

‘I do not sing’

Im phonischen Französisch findet man allerdings viel häufiger den Negationsausdruck ohne ne nur durch pas oder ein anderes nicht klitisches Negationselement (personne ‚Niemand‘, rien ‚Nichts‘, plus ‚nicht mehr‘ etc.):

       (2) Je chante pas

            ‘I do not sing’

Diese ±ne-Variation gehört zu den am besten untersuchten (sozio-)linguistischen Variablen im Französischen (cf. Armstrong/Smith 2002, Ashby 1976, 1981, 2001, Coveney 22002) und wurde bislang auch hauptsächlich durch soziodemographische und situative Faktoren oder durch varietätenlinguistische Erklärungsansätze, wie z.B. eine Varietät des ‚gesprochenen Französisch‘ ohne ne (cf. Koch/Oesterreicher 22011) bzw. eine Diglossie im Französischen (cf. Culbertson 2010, Zribi-Hertz 2011) motiviert.

Die hier vorgestellte Studie (Meisner 2013) belegt nun anhand eines phonetisch transkribierten Korpus, dass der Einfluss sprachlicher, insbesondere prosodischer Faktoren auf die ne-Realisierung möglicherweise bislang unterschätzt worden ist. Es zeigt sich eine klare Tendenz: je prosodisch schwerer und syntaktisch unabhängiger das ne vorausgehende Subjekt ist (z.B. ein Eigenname wie Stéphane, eine lexikalische DP wie mon chien, ein Indefinitpronomen wie quelqu’un ‚Jemand‘), desto wahrscheinlicher ist die ne-Realisierung. Dagegen wird ne immer häufiger ausgelassen, je ‚leichter‘ und klitischer die Subjekte sind (z.B. je ‚ich‘, tu ‚du‘ oder ce ‚es‘).

Darüber hinaus entsteht durch die unterschiedliche Distribution verschiedener Subjekttypen in unterschiedlichen Kommunikationssituationen ein Frequenzeffekt der relevant für die Realisierung von ne ist: das häufige Fehlen von ne in nähesprachlicher Kommunikation wird hier als Epiphänomen der hohen Anzahl ‚leichter‘ klitischer Subjekte in diesem Diskurstyp erklärt und nicht als soziolinguistische Variante oder als Merkmal einer Nähevarietät (cf. Culbertson 2010, Koch/Oesterreicher 22011, Zribi-Hertz 2011) behandelt.