Modellierung
Um die aus der aktuellen Forschungsliteratur gewonnenen Hypothesen zu testen und die zum Teil noch heterogenen oder sich partiell widersprechenden Resultate in eine kohärente Modellbildung zu integrieren, gehen wir von gebrauchsbasierten Sprachtheorien aus: von der Exemplartheorie für die lautsprachliche Kompetenz und die Konstruktionsgrammatik für die morphologische/syntaktische (grammatische) Kompetenz. In den Projekten zur Sprachverarbeitung werden z.T. konnektionistische Modelle entwickelt, in denen die Interaktion der relevanten Faktoren simuliert werden kann.
Dabei interagiert und konkurriert Frequenz als ein Faktor mit verschiedenen anderen Faktoren des Sprachgebrauchs:
- Dichte und Rezenz. Der Häufigkeitseffekt ist abhängig von dem Zeitfenster, in dem er auftritt. Das Zeitfenster kann unterschiedlich groß sein. Weit auseinander liegende Erfahrungen sind weniger effizient für die Kategorienbildung als kurz hintereinander auftretende (Dichte). Noch wichtiger ist aber der Bezug dieses Zeitfensters zur Gegenwart. Ein in der jüngeren Vergangenheit erfahrenes sprachliches Ereignis beeinflusst die Verarbeitung eines jetzt stattfindenden mehr als ein weiter zurück liegendes.
- Salienz. Der Häufigkeitseffekt wird aber auch von der Salienz des jeweiligen grammatischen oder lautlichen Ereignisses beeinflusst. Salienz interagiert mit Häufigkeit. Salienz lässt sich beispielsweise als prosodische Salienz definieren. Prosodisch exponierte (rhythmisch stärkere) Ereignisse sind z.B. aktivierungsstärker als prosodisch zurückgesetzte.
- Kontext. Sprachliche Erfahrungen werden schließlich zusammen mit dem linguistischen und sozialen Kontext gespeichert, in dem sie gemacht worden sind (Docherty 2008). Dies bedeutet, dass nur Erfahrungen aus einem ausreichend ähnlichen sozialen und situativen Kontext problemlos aggregiert werden können, um Kategorien zu bilden. Die Wahl des Korpus, in dem Frequenzen berechnet werden, muss also mit großer Sorgfalt geschehen.
Exemplare bzw. Konstruktionen, die aufgrund ihrer Frequenz, Dichte, Rezenz, Salienz und kontextuellen Passung besonders stark aktiviert sind, werden sowohl bei der Kategorienbildung als auch bei der Prozessierung weiterer Ereignisse (in der Sprachwahrnehmung bzw. -produktion) präferiert. Auf diese Weise verfestigt sich die im Entstehen begriffene (oder schon etablierte) Kategorie immer weiter, wenn keine entgegengesetzten Kräfte wirken (entrenchment).